Noras Welten – Outtakes (Teil 1)

Manche Szenen schaffen es ja nicht in den fertigen Roman – sei es, weil sie zu wenig Information bringen, die Geschichte unnötig strecken würden oder eben einfach nicht mehr zum Rest passen. Ihr habt es so gewollt – hier kommen einige der Outtakes zu Noras Welten – Durch den Nimbus. Viel Spaß!

Die folgende Szene war die erste, die ich für den Roman geschrieben habe. Ich bin froh, dass es sie gibt, sie hat mir ein sehr genaues Verständnis von Noras Verzweiflung geliefert. Für den Roman an sich war sie mir dann aber zu düster, weshalb sie schon relativ früh aus dem Manuskript gestrichen wurde.

Prolog 1

Es war ein kleines Messer. Die Klinge kurz und spitz, der schwarze Plastikgriff abgewetzt. Ein gewöhnliches Messer, wie man es zum Gemüsescheiden benutzte. Nora hatte es aus der Besteckschublade genommen und vor sich auf den Tisch gelegt.
Da lag es nun schon seit etlichen Minuten. Starrte sie an, und sie starrte zurück.
Vorsichtig streckte Nora die Hand danach aus. Ihre zitternden Finge verharrten über der Klinge. Sacht berührte sie das kalte Metall, liebkoste es. Tastete sich voran zum Griff und schloss die Finger darum.
Die vertraute Form schmiegte sich in ihre Hand. Eine Zeit lang betrachtete Nora die Reflexion der Küchenlampe, die sich auf der Klinge spiegelte. Im Licht wirkte das Metall nicht länger kalt und abweisend, es glänzte warm und tröstlich. Mit vielversprechender Endgültigkeit.
Das Zittern wurde stärker, als sie das Messer näher an ihr Gesicht heranführte. Jetzt zeigte die Spiegelung auf der Klinge ihr linkes Auge. Zu viel Weiß, mit einem schwarzen Loch darin. Die Pupille war so sehr geweitet, dass sie die Iris beinahe verdrängte. Nur ein schmaler, graubrauner Rand blieb davon übrig.
Unattraktive Augen, fand Nora. Und gewöhnlich. Man merkte ihnen nichts von dem Unglück an, das sie ihr brachten.
Es wäre nur gerecht, wenn ihre Augen sich wenigstens auf irgendeine Weise verraten hätten. Aber Nora sah nur die eigene Angst, die darin geschrieben stand.
Und es würde das Letzte sein, das sie sah.
Sie hatte sich so sehr gewünscht, noch einmal die Sonne zu sehen, das grüne Gras in den Parks … Doch der Frühling ließ auf sich warten. Graues Nieselwetter war alles, was ihr vergönnt war.
Das Leben war eben ungerecht.
Nora umfasste den Griff fester, bemühte sich, das Zittern unter Kontrolle zu bekommen. Immer näher führte sie das Messer, bis nur noch Millimeter sie von der Dunkelheit trennten.
Sie atmete tief durch.

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