Schreiben & Lektorieren – Teil 2: Plot & Setting

Eine der größten Fragen, wenn man sich entschließt, etwas zu schreiben, ist das WAS. Was soll man denn schreiben? Zum Thema Inspiration und Recherche gibt es bereits einen Blogbeitrag, deshalb konzentrieren wir uns diesmal mehr auf das, was man mit der Idee dann anfangen kann. Worum geht es in der Geschichte? Was macht sie spannend, was sollte passieren? Natürlich ist jede Geschichte anders – sonst wäre das Lesen ja langweilig. Wenn man genau hinsieht, erkennt man jedoch ein gewisses Schema, an das man sich halten kann.

Drei Akte

Joseph Campbell beschreibt in seiner Heldenreise zwölf Stationen, im Wesentlichen und gerade bei kürzeren Texten ist es jedoch einfacher, sie auf drei Akte zusammenzufassen: Beginn, Hauptteil und Schluss.

Im Beginn lernen wir unseren Protagonisten, den Helden, in seiner Ausgangssituation kennen. Dieser Teil soll dem Leser einen guten Überblick geben. Dabei soll er aber nicht zu lang sein, denn ein Held, der auf der faulen Haut liegt, ist langweilig. Deshalb sollte in absehbarer Zeit Plotpoint 1 kommen: Der Punkt, an dem der Held gezwungen wird, zu handeln. Etwas passiert, das seine Welt erschüttert und das ihn dazu motiviert, sich auf seine Heldenreise zu begeben, sein bisheriges Leben zurückzulassen und dem Feind zu trotzen.

Im Hauptteil irrt er nun auf seinem Weg herum. Natürlich könnte er auch zielstrebig ins Schloß des Unholds marschieren und ihn niedermetzeln, aber das wäre dann eine sehr kurze Geschichte. Dieser Teil sollte den umfangreichsten Teil eures Buches oder eurer Geschichte ausmachen. Bei den meisten Schreibanfängern wird er in der Planung grob mit “und er erlebt viele Abenteuer” zusammengefasst. Herz des Winters hat in meinem ersten Schreibversuch jedenfalls genauso begonnen.

Und wenn genug Abenteuer erlebt sind, kommt man zum Plotpoint 2: Dem Punkt der größten Verzweiflung. Der Held verliert alles, nimmt röchelnd seine vielleicht letzten Atemzüge … Die Plotpoints sind die Spannungseckpunkte einer Geschichte. Hier passiert die größte Action, hier stürmen die Gefühlsmeere, hier darf das Buch nicht aus der Hand gelegt werden. Nicht bis zum letzten Teil, dem Schluss: Der Held rappelt sich noch einmal auf, um sich im finalen Kampf zu schlagen, wie auch immer dieser geartet ist. Für den Seelenfrieden der Leser sollte nach diesem Finale noch ein kleiner Absacker kommen, in dem die neue Situation nach dem Ende dieser Abenteuer dargestellt werden.

Diese Heldenreise findet man in jeder Geschichte, sie bildet sozusagen den roten Faden. Aber nicht nur die Haupthandlung stützt sich auf diese Eckpunkte, auch die Geschichten der Charaktere sind so aufgebaut. Ihre Plotpoints müssen nicht zwangsläufig mit denen des Plots übereinstimmen, gerade bei mehreren Charakteren werden immer einige früher und andere später ihre Motivation erhalten, manche sogar außerhalb der erzählten Geschichte. Ein Beispiel: Luke Skywalker beginnt seine Heldenreise, als seine Zieheltern ermordet werden, für Han Solo ist der Plotpoint 1 erst viel später, als er sich entschließt, sich an Lukes Seite zu stellen. Dagegen sind Bilbo Beutlins zwergische Begleiter bereits längst auf ihrer Heldenreise, als der Hauptcharakter zu ihnen stößt und sein Abenteuer beginnt.

Stimmung

Ein wesentlicher Faktor eurer Geschichte ist die Stimmung, die ihr damit erzeugen wollt. Sollen die Leser lachen, weinen, nachdenklich werden? Meistens ergibt sich dieser Teil von selbst während der ersten Szenen, aber man sollte ihn bewusst wahrnehmen. Nur so könnt ihr diese Stimmung betonen und über die ganze Geschichte hindurch halten. Dazu gehören einerseits natürlich euer Plot und die handelnden Charaktere, aber auch die Sprache, die ihr verwendet, und die Dinge, die ihr betont.

Als Beispiel zweimal dieselbe Szene:

“Regen fiel in dicken Tropfen und durchweichte sie bis auf die Haut. Von dem Humpen Glühwein, den sie gegen die Kälte getrunken hatte, war nichts zu merken. Jedenfalls nicht, was ihr Frösteln betraf – die leichte Schlagseite, die sie dem Wein verdankte, war eine andere Sache.” So ähnlich könnte sie in den Herz des Winters Büchern stehen.
Und nun zum Vergleich das ganze in der Welt von Darwin’s Failure: “Der Regen fiel unaufhörlich. Sie war vollkommen durchnässt, feuchte Kälte biss ihr in die Haut. Gegen das Zittern half auch der Glühwein nicht, den sie getrunken hatte. Sie fühlte sich nur noch elender.” Bemerkt?

Perspektive

Am geläufigsten in der Welt der belletristischen Prosa sind allwissende Erzähler, die sich gerne an die Perspektive einer oder mehrerer Charaktere anheften, und Ich-Erzähler. Beide Perspektiven haben ihre Vor- und Nachteile, und meistens fällt beim Schreiben je nach Projekt und den eigenen Stärken die eine oder andere Variante leichter.

Der allwissende Erzähler erlaubt es, auch einmal den Charakter zu wechseln oder aus ihm herauszutreten. Man kann genauer differenzieren, was tatsächlich geschieht und was der Protagonist bloß subjektiv wahrnimmt. Die Ich-Perspektive zwingt den Leser dagegen eindeutiger in den Protagonisten. Es besteht weniger Verwirrungsgefahr, andererseits ist man stärker auf das beschränkt, was der Ich-Charakter sieht und weiß. Was die Gedankenwelt angeht, kann es durch die Unmittelbarkeit leichter sein, Dinge zu vermitteln. Wenn sie jedoch nicht ausreichend nachfühlbar sind, werden Leser mit dem Ich-Erzähler mehr hadern als mit einem Charakter in einer allwissenden Erzähl-Perspektive, den sie nicht mögen.

Ich persönlich bevorzuge meistens den allwissenden Erzähler, sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen. Die Gefahr ist groß, vieles an Spannung zu verlieren, wenn man dem Leser von vorne herein klar macht, wer am Ende der Geschichte immer noch am Leben ist. Wer sich unsicher ist, welche Perspektive für ihn bzw. sein Projekt besser geeignet ist, kann dieselbe Szene jeweils in der einen und anschließend in der anderen Variante zu schreiben. So merkt man recht schnell, was in der Umsetzung leichter fällt.

Zielgruppe 

Die meisten Schreiberlinge sind Egoisten. Sie schreiben zuallererst, weil es ihnen Spaß macht – und schreiben daher auch, WAS ihnen Spaß macht oder wichtig erscheint. Aber am Ende des Tages schreibt man schließlich nicht nur für sich selbst, man möchte gelesen werden. Und damit der Leser nicht enttäuscht das mühevoll getippselte Werk beiseite legt, sollte man ihn so gut wie möglich kennen und auf seine Wünsche eingehen. Krimileser möchten rätseln, Liebesromanhelden sollen sich zum Anschmachten eignen, im ScienceFiction-Bereich sollte der Autor technische Kompetenz beweisen und in Jugendbüchern haben manche Szenen schlichtweg nichts verloren. Sprache, Inhalt, Rundum-Information und Aufbau sollen ein Gesamt-Erlebnis bilden, in dem sich der Leser heimisch fühlt.

Am leichtesten fällt das natürlich, wenn man in einem Bereich schreibt, den man selbst gerne liest. Man hat viele der Genre-Regeln bereits unbewusst absorbiert und muss sich nicht mehr ständig daran erinnern. Stephen King rät in seinem Buch On Writing außerdem, für einen idealen Testleser zu schreiben, sei dieser nun real oder nicht. Gleichgültig, ob dieser das Buch schlussendlich jemals liest. Man sieht diesen Testleser vor sich, wie er die Geschichte liest, sie beurteilt … Ob er an den richtigen Stellen lacht und weint, ob er die Rätsel spannend oder langweilig findet. Auf diese Art gelingt es, die eigene Geschichte mit fremden Augen zu betrachten.

Kurzum, man sollte sich bereits vor dem ersten getippten Wort überlegen: Wer wird diese Geschichte gerne lesen? Männer, Frauen oder Kinder? Welches Alter haben die Leser, welche Interessen und Moralvorstellungen? Was begeistert sie, was schreckt sie ab? Sind sie mit dem Thema vertraut, das man behandeln will, brauchen sie Hintergrundwissen? Wenn ja, wie viel davon? Diese Frage ist nicht nur bei Sachbüchern interessant, auch in der Belletristik sollte man sich damit auseinandersetzen. Ein gutes Beispiel für ideal bemessene Informationszufuhr wäre übrigens Marc Elsbergs Blackout.

Tipps zum Schluss

Je mehr man im Vorfeld schon von seiner Geschichte weiß, desto leichter fällt es, mit dem Schreiben in die Gänge zu kommen und einheitliches Werk zu erschaffen, das in sich stimmig und rund ist. Das bezieht sich nicht zwangsläufig auf die Handlung selbst – Plotten fällt vielen Autoren schwer. Manche haben noch vor dem ersten Buchstaben genau vor Augen, welche Form ihre Geschichte letztlich annehmen wird, andere werden irgendwann von dem Ende ihrer eigenen Geschichte überrascht. Mehr dazu findet ihr im Blog zum Thema Planen und Machen. Probiert es einfach aus!

Mehr Tipps gibt es nächste Woche, und zwar mit dem Schwerpunkt Szenenaufbau. Stay tuned!